(local link as backup. Original page copyrighted from Wienerzeitung in Austria):
http://www.wienerzeitung.at/frameless/lexikon.htm?ID=214

(back to GER568)

Die Aufklärung erfand den Rassismus


Wie die Menschen weiß, rot, gelb und schwarz wurden/ Von Nadine Hauer


Als stärkste "Waffe" gegen den Rassismus gilt die Aufklärung. Sofern damit "Rationalität" gemeint ist, mag das ja stimmen, sonst aber scheinen wir einer Illusion erlegen zu sein. Tatsache ist nämlich, daß es gerade die Aufklärer waren, die die Menschenrassen erfunden haben. Mit der Erfindung - nicht Entdeckung - der weißen, roten, gelben und schwarzen Menschen"rasse" begründete die Aufklärung den wissenschaftlichen Rassismus und bezog dabei auch die Zigeuner mit ein.

Noch 1735 beschreibt der schwedische Naturforscher Carl von Linné den Europäer als albescens = weißwerdend, den Amerikaner als rubescens = rotwerdend und den Asiaten als fuscus = dunkelbräunlich bis schwärzlich.

Nur 30 Jahre später, 1767, macht Linné die Hautfarbe zur entscheidenden Grundlage für die verschiedenen Arten von Menschen und unterscheidet nun den homo europaeus albus - den weißen Europäer -, den homo americanus rufus - den roten Amerikaner -, den homo asiaticus luridus - den blaßgelben Asiaten -, und den homo africanus - den schwarzen Afrikaner.

Die große Änderung war nicht das Ergebnis naturwissenschaftlicher Forschung, sondern eine naturwissenschaftliche Gedankenkonstruktion als Erklärung für die angebliche Überlegenheit der Weißen. Um soziale Unterschiede plausibel zu machen, bekommt die soziale Haut Farbe.

Indianer wurden rot

Als Christoph Kolumbus auf die amerikanischen Ureinwohner stieß, beschrieb er sie zwar regional unterschiedlich, aber in Schattierungen von weiß, hell oder weder schwarz noch weiß. Spätere Entdecker des 16. Jahrhunderts sprechen von schwarzen, bronzenen, goldgelben und weißen Indianern.

Den mehr oder weniger sonnengebräunten europäischen Seefahrern erscheint die Hautfarbe der Indianer der ihren ähnlich, also weiß bis braun.

Carl von Linné bezeichnete die Indianer jedoch als rot, seither gelten die Indianer als "Rothäute". Die Erklärung für ihre rote Gesichtsfarbe hatte ein Zeitgenosse Linné's gefunden:

"Die Haut dieser Völker ist stark rötlich. Allerdings entsteht die rote Hautfarbe . . . auf künstliche Art, denn diese Barbaren bemalen sich täglich mit dem Farbstoff des Orleansbaumes, dessen sie sich anstelle von Zinnober bedienen; dadurch erscheinen sie blutrot."

Auch die Chinesen waren nicht immer gelb. Die umfangreiche europäische Reiseliteratur des 16. und 17. Jahrhunderts belegt, daß die Chinesen keineswegs als gelb bezeichnet wurden. Von einem "weißhäutigen Volk", welches den "Deutschen ähnelt"; von Menschen "del color de alemanes, italianos y españoles", sogar als "very white" werden sie beschrieben.

Im 18. Jahrhundert werden die Chinesen gelb. Während sie Linné zu Beginn noch als blaßgelb bezeichnet, werden sie bei Johann Friedrich Blumenbach schließlich weizengelb, vergleichbar mit getrockneter Zitronenschale. Und mit dem im ausgehenden 19. Jahrhundert wird die "gelbe Gefahr" zum geläufigen Schlagwort.

Wie bei den Indianern, werden Beobachtungen aus der Lebenswelt der Chinesen zur Hautfarbe: für Chinesen symbolisiert Gelb das Reich der Mitte, strahlendes Gelb ist die Farbe ihrer Herrscher.


Die alten Ägypter, die mit Fremden keineswegs freundlich umgingen, bezeichneten die Nubier und andere Afrikaner gleichermaßen als Südländer. Vorurteile aufgrund unterschiedlicher Farbtönungen sind nicht feststellbar.

Die alten Griechen sprachen von Barbaren, aus ihrer Sprache stammt der Begriff Xenophobie. Platon erklärte zur Legitimierung sozialer Ungleichheit, daß den durch Herkunft und Erziehung in unterschiedlichen Situationen befindlichen Menschen eingeredet werden müsse, sie wären von Natur aus verschieden.

Von Hautfarben sprach die griechische Antike nicht, obwohl sie Schwarze kannten; im Gegenteil: den Äthiopiern gewährten sie wegen ihrer den Göttern wohlgefälligen Frömmigkeit für alle Zeit ein Leben in Freiheit und Frieden.

Die sozial deklassierten gesellschaftlichen Gruppen der Antike, vor allem die Sklaven, waren in der Regel hellhäutig. Daher bezeichnete Aristoteles die Sklaven als jene, die "an Vernunft nur so weit teilhaben, um ihre Gebote zu verstehen, ohne sie zu besitzen".

Erst nach der Eroberung Konstantinopels durch die Türken werden die Wege für den europäischen Sklavenhandel durchbrochen, erst jetzt holt man sich Sklaven aus Afrika; ungefähr 15 Millionen Afrikaner werden nach Amerika verschleppt. Nun entstehen aus den geachteten Nubiern des alten Ägypten und den wohlgefälligen Äthiopiern der Antike die Schwarzen der Neuzeit, deren unterschiedlichste Farbtönungen ignoriert werden.

Der Aufklärer David Hume stellte in seinem Essay über nationale Besonderheiten fest: "Ich bin geneigt zu glauben, daß die Neger und überhaupt alle sonstigen Arten von Menschen . . . von Natur aus minderwertiger als die Weißen sind . . . Selbst wenn wir von unseren Kolonien absehen, gibt es über ganz Europa verstreut Negersklaven, von denen niemals einer auch nur ein Anzeichnen von Klugheit offenbart hätte."

Diese Gedanken unterscheiden sich nicht von den rassistischen Überlegungen von Aristoteles und Plato, neu ist die Verknüpfung mit der Hautfarbe.

Kant als Rassist

Auch der prominenteste deutsche Aufklärer, Immanuel Kant, Idol des Philosphieunterrichts an Schulen und Universitäten, entpuppt sich als rabiater Rassist, dessen einschlägige Schriften hartnäckig verschwiegen werden. Auch er vertritt die Ansicht, nur die weiße Rasse sei in der Lage, den Prozeß der Zivilisation dauerhaft zu befördern; dabei mißt er der Arbeit einen großen Stellenwert bei. Die Indianer, eine "Rasse, zu schwach für schwere Arbeit, zu gleichgültig für emsige, unfähig zu aller Kultur", stünden "noch tief unter dem Neger", der allerdings selbst "faul, weichlich und tändelnd" sei.

Von den schon aus Tradition arbeitsscheuen und müßiggehenden Zigeunern meint er, sie wären lediglich "Umtreiber", und es sei keine Frage, es bei ihnen mit einer Rasse zu tun zu haben, dafür stehe schon ihre "indische Hautfarbe" oder "wahre Zigeunerfarbe". ("Von den verschiedenen Rassen der Menschen", "Ideen zu einer allgemeinen Geschichte", "Über den Gebrauch teleologischer Prinzipien in der Philosophie", "Reflexionen zur Anthropologie").

Zum offensichtlichen Politikum wurde die Diskriminierung der Zigeuner durch die Romantik. An die Stelle der Revolution der unteren Klassen setzte sie die Rebellion der Zigeuner, also die rassistische Bändigung der Sozialkritik.

Am deutlichsten zeigt sich dies etwa in Prosper Merimées "Carmen", die, anders als die Oper von Georges Bizet, die Revolte zwischen den Revolutionsjahren 1830 und 1848 in Frankreich als falsch verstandene Freiheit denunziert: Freiheit, die nicht kommandiert werden, sich nicht fügen will, den bürgerlichen Rahmen von äußerer Ordnung und Selbstbeherrschung nicht akzeptiert, ist keine bürgerliche Tugend, sondern die wilde Zügellosigkeit einer fremden (Zigeuner)Rasse.

NS-Forscher erfanden schließlich den "weißen Zigeuner" als Ausdruck für jene "Asozialen", die sich der festgefügten Ordnung entziehen. Und die Gegenwart zeigt, daß die diskriminierenden Rassentraditionen ungebrochen und die ethnisch-rassistisch-sozialen Fehlurteile über Indianer, Asiaten, Afrikaner und Zigeuner weiterleben.

Literatur:

Wulf D. Hund: Die Farbe der Schwarzen. Über die Konstruktion von Menschenrassen. Blätter für deutsche und internationale Politik 8/1993.

Wulf D. Hund (Hg): Zigeuner. Geschichte und Struktur einer rassistischen Konstruktion. DISS 1996.

--------------------------------------------------------------------------------

Erschienen am: 02.04.1997